Wer will Einstein sein?

Ich bin Deutschland? Und sogar Einstein? Was liegt für die plumpe Anmache der Kampagne näher als auch Albert als Identifikationsfigur zu empfehlen? Auch du kannst es im Leben so weit bringen wie der Popstar unter den Physikern. Aber will ich das? Die richtige Antwort gibt Charles Lewinsky in der Jüdischen Allgemeinen Nummer 51 / 05. Denn als Albert kannst du nicht nur

die Relativitätstheorie entwickeln und weltberühmt werden. Sondern auch: Du kannst deine Staatsangehörigkeit durch Strafausbürgerung und deinen Besitz durch Beschlagnahmung verlieren. Deine wissenschaftlichen Erkenntnisse können als jüdischer Hokuspokus verumglimpft und deine Bücher als 'undeutsches Schrifttum' öffentlich verbrannt werden. Das alles kannst du erreichen, wenn du Deutschland bist.

Aber Einstein hat das natürlich selbst schon gewusst:

Sollte sich die Relativitätstheorie als richtig erweisen, dann wird Deutschland mich als Deutschen reklamieren und Frankreich wird erklären, ich sei Bürger der Welt. Sollte sich meine Theorie als falsch herausstellen, werden die Franzosen sagen, ich sei Deutscher, und die Deutschen erklären, dass ich Jude bin.

Nun hat der Wahrheitsgehalt der Theorie weder die Nazis interessiert noch die Kreativen, denen wir die Spots zu verdanken haben. Sie reklamieren den Wissenschaftler für die deutsche Identitätsbildung, gerade weil er ein Jude ist. Denn heute können wir Deutschen, so lautet ihre frohe Botschaft, sogar Juden sein. Anything goes - so lange du nur, nein, gerade weil du ein Deutscher bist, jung und unschuldig.

Dass, wie Charles Lewinsky meint, der Wirrkopf seine Zunge herausstreckt, weil ihm beim Lesen der Anzeige übel geworden sei, erscheint da durchaus wahrscheinlich.

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