Reportage über Evangelikale in Hessen - Süddeutsche Zeitung

Pfingsten erschien in der Süddeutschen Zeitung ein gut recherchierter Artikel über christlichen Fundamentalismus in Hessen.

Zur Brüderbewegung

Aufs ganze Land gesehen mögen die Brüdergemeinden eine verschwindende Minderheit sein, 20 000 Gläubige bundesweit, vielleicht 40 000, man kann nur schätzen, eine Zählung wäre verwerfliche Organisiertheit. Im Hinterland aber, das lässt sich sagen, stellen sie neben den Freien evangelischen Gemeinden die größte Bewegung. Die Versammlung hier in Breidenstein ist Teil einer besonders konservativen Strömung innerhalb der Brüderbewegung, es sind „geschlossene Brüder“. Nicht, dass sich kein Fremder hinzusetzen dürfte: Jeder ist herzlich eingeladen, sagt das Schild draußen. Doch ein neues Gesicht fällt sofort auf. Und wenn die Geschlossenen das Brot brechen, haben Fremde keinen Zutritt. Nur ein Empfehlungsschreiben mit den Unterschriften der Brüder einer anderen Versammlung gewährt dann Einlass.

90 Minuten währen die Gebete, die immerfort variierten Versatzstücke, die Bibelversbetrachtung und der makellose zweistimmige Gesang der Gemeinde. Am Ende, wie auf ein stummes Zeichen, verlassen die Frauen den Saal. Erst dann folgen die Männer. Schon in der Garderobe entspinnt sich wieder fröhliches Geplauder zwischen den Geschlechtern, Händeschütteln, Glückwunsch dem frischgebackenen Großvater. Im Regal liegen jene Traktate, für die gerade Gottes Segen erbeten wurde. Einer der Jungs nimmt einen Stapel und steckt ihn ein.

Die Broschüren gehören zur Ausrüstung vieler evangelikaler Gruppen, denn der missionarische Auftrag ist den Bibeltreuen ernst. So klein sie sein mögen, so beharrlich versuchen sie sich sichtbar zu machen. Mit Schaukästen, mit Einladungen zu Hausgebetskreisen, mit Terminlisten für Bibelstunden.

Auch der Alltag der gesellschaftlichen Mitte erscheint in diesem Landstrich religiöser geprägt als andernorts. Mag es auch bieder erscheinen, das ganze Vortragen und Einladen und Feiern – die missionarische Energie ist erheblich. Erst recht, wenn es darum geht, Kinder auf den Weg zu führen. Wer eine „Urkunde für das Auswendig-Lernen und fehlerfreie Aufsagen“ von Bibelsprüchen möchte, bekommt sie gleich drüben, bei der Christlichen Verlagsgesellschaft in Dillenburg. Nur ein paar Kilometer weiter betreibt der „Verbreitung der Heiligen Schrift e.V.“ eine Werkhalle am Rande des 4000-Einwohner-Städtchens Eibelshausen. Von hier aus versorgt der Verlag Eltern und Erzieher mit einem umfangreichen Programm an „Kindertraktaten“. Alles kostenlos, bundesweiter Versand, durch Spenden bezahlt.

Zucht

Der Vorsteher einer evangelikalen Gemeinde.

„Das ist eine Sache, da muss ich Gott mehr gehorchen als der Obrigkeit“, sagt Pfister. „Ich meine nicht misshandeln, gelle. Züchtigen. Mit Maßen und vernünftig.“ (...) „Das ist ein gutes Erziehungsmittel“, besser als impulsive Backpfeifen. „Ganz gezielt, mit Maß.“ Sein ältester Sohn habe inzwischen selbst Kinder, aber der schlage sie nicht. Der andere Sohn wohl. „Die fünf Kinder, wie die spuren, das glauben Sie gar nicht! Wenn die jetzt reinkämen und ich setz die da hin – die sagen keinen Ton.“

Wie wird nun die fundamentalistische Reaktion aussehen? Dass sind Einzelfälle, die sich nicht verallgemeinern lassen, Glaubensinhalte werden verzerrt dargestellt, Gemeinden dürfen nicht über einen Kamm geschert werden, kjede Gemeinde ist anders, Bibelstellen werden falsch ausgelegt, muss muss differenzieren, das ist Stimmungsmache, Aussteiger aus den Sekten sind unglaubwürdig, wer die z.B. die geschlossenen Brüder kritisiert, ist ein Nazi, schließlich waren die Brüder unter den Nationalsozialisten verboten, der Autor kennt die Gemeinde nicht, schließlich würde so etwas in einer Gemeinde dieser Art nie passieren ... und überhaupt: man wird doch wohl noch glauben dürfen.

Die Reportage kann leider nicht online gelesen werden.

Quelle: Glaubensstreit Eine Frau in Jeans ist des Teufels – zu Besuch bei den Evangelikalen im Hessischen Hinterland

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