Piraten für laizistischen Staat - erstmal ein paar Anmerkungen

Für die Trennung von Religion und Staat haben sich die Piraten auf ihrem Parteitag ausgesprochen. Damit knüpfen sie an liberale Positionen der Aufklärung an, die von anderen Parteien längst geräumt oder in Arbeitskreise verdrängt wurden.

Auch für die weltanschauliche Neutralität des Staates sprachen sich die Mitglieder aus. Die Piratenpartei will religiöse und staatliche Belange trennen. Finanzielle und strukturelle Privilegien für einzelne Glaubensgemeinschaften sollen ebenso abgeschafft werden wie die Erfassung der Religionszugehörigkeit durch staatliche Stellen. Kirchenbeiträge sollen nicht mehr durch den Staat eingezogen werden.

Antrag

Freiheit und Vielfalt der kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Einstellungen kennzeichnen die modernen Gesellschaften. Diese Freiheiten zu garantieren, ist Verpflichtung für das Staatswesen. Dabei verstehen wir Piraten unter Religionsfreiheit nicht nur die Freiheit zur Ausübung einer Religion, sondern auch die Freiheit von religiöser Bevormundung. Wir erkennen und achten die Bedeutung, die individuell gelebte Religiosität für den einzelnen Menschen erlangen kann.

Trotz der von Verfassungs wegen garantierten Religionsfreiheit ist das Staatswesen der Bundesrepublik nicht frei von religiöser (und weltlicher) Privilegierung der traditionellen christlichen Kirchen. Hier gibt es einen Widerspruch, der durch Immigration und religiöse Differenzierung in der Gesellschaft zu größeren Verwerfungen führen kann.

Die weltanschauliche Neutralität des Staates herzustellen, ist daher eine für die gedeihliche Entwicklung des Gemeinwesens notwendige Voraussetzung. Ein säkularer Staat erfordert die strikte Trennung von religiösen und staatlichen Belangen; finanzielle und strukturelle Privilegien einzelner Glaubensgemeinschaften, etwa im Rahmen finanzieller Alimentierung, bei der Übertragung von Aufgaben in staatlichen Institutionen und beim Betrieb von sozialen Einrichtungen, sind höchst fragwürdig und daher abzubauen. Im Sinne der Datensparsamkeit ist die Erfassung der Religionszugehörigkeit durch staatliche Stellen aufzuheben, ein staatlicher Einzug von Kirchenbeiträgen kann nicht gerechtfertigt werden.

Quelle: Bundesparteitag 2011.2/Antragsportal/PA041.

Begründung

Die Begründung erinnert rhetorisch an die Parole der französischen Revolution: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. Es gehe bei der Trennung von Religion und Staat um die Freiheit verstanden als Freiheit vor religiöser Bevormundung, um die Gleichheit der Religionen und um die sich aus religiösen Quellen speisenden Impulse zu Brüderlichkeit, zu solidarischem Verhalten in der Gesellschaft.

Entscheidend ist, dass darauf hingewiesen wird, dass Religion als Form der Bevormundung wirkt. Es geht um staatlich geförderte Unfreiheit und Gegenaufklärung, eine Tendenz, die wenig mit Toleranz und viel mit religiöser Blindheit des Staates zu tun hat. Und natürlich ist hier das Zentrum des Streits: denn die Anhänger verstaatlicher Religion, wollen ja staatliche Förderung und sehen darin ihr selbstverständlliches Recht (das gerne in Form der Legende einer europäischen Christenheit legitimiert wird) und keine Bevormundung.

Die Pointe der Brüderlichkeit wäre: dass nur die vom Staat konsequent getrennte Religion ihre humanen Potentiale voll entfalten könnte. So lange nämlich die Religion am Gängelband des Staates ihre Kreise zieht, bleibt sie machtpolitisch orientiert und im Bann der Autorität.

Das Spannungsfeld zwischen Religion und Staat wird so beschrieben:

Das Spannungsfeld ergibt sich im Bereich der staatlichen Beitragseinziehung für Glaubensgemeinschaften (Kirchensteuer) über konfessionsgebundenen Schulpflicht-Unterricht, konfessionsgebundene Schulen oder die Militärseelsorge bis zu den Relikten aus der Auflösung kirchlicher Latifundien (Subsidiaritätsprinzip): Aufgrund der vereinbarten Subsidiarität tritt der Staat als Anbieter gesellschaftlicher Dienstleistungen (von der Kinderbetreuung über die Krankenversorgung bis zur Sterbebegleitung) hinter die Angebote religiös bzw. weltanschaulich fundierter Träger (nur teilweise auch laizistischer Träger - Rotes Kreuz) zurück.

In diesem Spannungsfeld entstehen Formen religiöser Bevormundung, wenn etwa aufgrund regionaler politischer Priorisierung religions- und konfessionsfreie Angebote gar nicht unterbreitet werden. Das kann auch Ausdruck gezielter politischer Diskriminierung sein - zum Beispiel im Bereich der Schwangerschaftskonfliktberatung.

Die Frage ist, ob dieses Spannungsfeld so exakt ausgemessen wird, oder ob hier nicht einige Sprengfallen verborgen liegen, die nicht zur Sprache kommen, sei's aus politischer Taktik. Denn natürlich geht es bei der Trennung von Staat und Religion nicht allein um ein Ende der Priorisierung religions- und konfessioneller Angebote, sondern um ein neues staatliches Selbstverständnis und eine neue Verfassung.

http://www.piratenpartei.de/Pressemitteilung/piratenpartei-positioniert-sich-pro-europa-laizismus-und-liberale-drogenpolitik

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