Konzil der Buchhalter

Einen, wie ich finde, sehr guten Kommentar zu Papst Benedikt XVI. hat Rudi Thiessen, der Religionswissenschaft an der Freien Universität Berlin lehrt, schon vor drei Jahren in der TAZ geschrieben. Er zog auch damals eine Art Bilanz und fragte, ob der Ruf des Papstes wirklich so ruinös sei, wie die vermeintlichen Skandale vermuten ließen.

Die bloße und politisch korrekte Skandalisierung seines Pontifikats führt zu nichts, genau so wenig wie die selbstgewisse Banalität protestantischer Kritik oder ökumenische Naivität. Die religiöse Blindheit der meisten Kritiker des Papstums geht oft Hand in Hand mit historischer Ahnungslosigkeit:

Natürlich wurde sofort seine Regensburger Vorlesung von 2006 erinnert, worin er einen byzantinischen Geistlichen aus dem 15. Jahrhundert zitierend, die islamische Welt beleidigt habe. Bei genauer Lektüre ging es Benedikt um die Ächtung eines jeden heiligen Krieges und eines jeden religiös motivierten Mordes und Terrors. Die Pointe dabei war, dass solche Taten gotteslästerlich, weil vernunftwidrig seien. Die Vernunft jedoch sei den Menschen von Gott gegeben, und deshalb seien sie ihr verpflichtet. Natürlich sei das einer rationalistisch, instrumentalistisch verkürzten Vernunft nicht mehr zugänglich und so plädierte der Papst für einen Vernunftbegriff, wie ihn in der deutschen Philosophie zuletzt Max Horkheimer und Theodor W. Adorno vertraten.

Natürlich missfiel es aufgeklärten Geistern, sich vom Papst vorwerfen lassen zu müssen, was einst Jürgen Habermas den Positivisten vorhielt: einen positivistisch halbierten Rationalismus. Und es gefiel den Kritikern, den Papst auf die heiligen Kriege der Christen hinzuweisen. Sie vergaßen dabei nur, dass der Heilige Krieg als Institution eine Innovation des Islam war, im Koran verankert und über Jahrhunderte - immer wieder - erfolgreich geführt. Die Christen waren da Nachahmer. Recht erfolgreich in der Reconquista, erbärmlich gescheitert in den Kreuzzügen. Wichtiger jedoch: Sie sind kein neutestamentarisches Gebot, sondern die Ausgeburt eines Eiferers - des heiligen Bernhards.

Die Volte katholisch(-platonischer) Vernunft zur Dialektik der Aufklärung und Max Horkheimer und Theodor W. Adorno ist zwar etwas gewagt, erinnert aber daran, dass Aufklärung, die Kritik instrumentell zugerichteter Vernunft und politische Emanzipation, ihre theologische Erbschaft nicht verschleudern sollte.

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