Integration und Fremde

Klaus Theweleit folgt in »Das Lachen der Täter: Breivik u.a.« auch den Spuren misslungener Integration, die zu den Selbstmordattentaten der ISIS führen. Das Staunen darüber, dass sich ganz normale Jungs und Mädchen von islamistischen Predigern in den Krieg ziehen lassen, ist naiv.

Misslungene Integration produziert Fremde, die geduldet werden.

Die Pointe der von Theweleit zitierten Fallgeschichten: »Fßballclub und Disco allein reichen offenbar nicht, um Teil der Community (...) zu werden« (191). Es regiert die »Wahrnehmung: Hier kommst du nie rein! Nie, nie!« (191)

Und Theweleit erinnert sich: »Sie lassen dich nicht - das Gefühl, von dem viele Migrantenkinder berichten; und das mir als ostpreßischem Flüchtlingskind 1945ff in Schleswig-Holstein nicht völlig fremd ist.« (191)

Duldsamkeit

Die misslungene Integration läuft auf die Formel der »Duldung« hinaus, auf eine »fundamentale Nichtachtung« (192), die für »Fremde« »allerhöchstens Duldsamkeit kennt« (192).

Das reicht aber nicht, um sich hier auf ein Leben einzulassen. Die Duldsamkeit kann, wenn es denen, die uns hier dulden, irgendwann so passt, gekündigt werden; und oft genug, bei jeder beliebigen Kleinigkeit sogar, kann sie schon gekündigt worden sein.(192)

Integration, das heißt einen »Zustand zu finden, in dem die eigene Körperlichkeit als aushaltbar erlebt wird« (191). Gerade bei Jugendlichen »zwischen den Kulturen« braucht sie Beziehungen und genügend Anerkennung, nicht das formelhafte Bekenntnis zu einer Werteordnung.

Was also heißt Integration?

Integration heißt ja nicht, ich passe mich an, sondern ich finde jemanden, mit dem ich auf einer gleichberechtigten Ebene leben, mich austauschen und entwickeln kann. Wenn man so jemanden nicht hat, gibt es keine Integration.

Junge Menschen, insbesondere junge Männer mit der Empfindung einer gesellschaftlichen Ortlosigkeit, die im adoleszenten Alter immer mit einer körperlichen Unsicherheit einhergeht, sind massiv davon bedroht, in diesem Zustand körperlich zu fragmentieren. Wenn dann die Unsicherheit über den eigenen sexuellen Status hinzukommt, wenn noch eine Freundschaft bricht, eine Liebesbeziehung oder eine Vereinszugehörigkeit misslingt und bei der Gelegenheit noch »Du gehörst ja nicht hierher« ins Spiel gebracht wird, geht der schwache Boden unter den Füßen womöglich ganz weg: »Hier werde ich nie was!« »Hier lässt man mich nicht leben!« Dann muss etwas Größeres her. Diesen Zustand aufzufangen und zu bearbeiten, stehen offenbar »Prediger« bereit.

Dagegen hilft nicht, die Jugendlichen auf die »Errungenschaften der westlichen Zivilisation« einzuschwören; in dieser gesellschaftlichen Lebensform Fß zu fassen, misslingt ihnen aktuell ja gerade. Helfen würden nur Beziehungen, Liebschaften, gute, tragfähige Gruppen oder Vereine und natürlich ein guter Arbeitsplatz. Sie geben Boden unter den Füßen. Erst dann kann man wachsen. Wer nicht in dieser Form wachsen kann, wächst in den Idiotismus der Großmacht. Das ist so etwas wie ein Gesetz.

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