Extremismus der Mitte, Faschismus der Gefühle und Aufklärung

Sehr guter, weil grundsätzlicher Artikel von Götz Eisenberg über PEGIDA - über den Faschismus der Gefühle, die Mitte als Gütesiegel und aufklärerisch-demokratische Praxis. Zur Orientierung drei Zitate.

Die Menschen, die unter dem Banner von PEGIDA demonstrieren, begreifen sich selbst als Mitte der Gesellschaft. (...) Wenn man mir mit dem Verweis auf die "Mitte der Gesellschaft" kommt, als wäre das ein demokratisches Gütesiegel, bin ich deswegen stets versucht zu sagen: „Genau, das ist es ja gerade. Da stammt er ja her, der Nationalsozialismus. Dass man der Mitte der Gesellschaft entstammt, heißt doch noch lange nicht, dass man kein Nazi sein kann.“

Der durchschnittliche Erwachsene dieser Kultur ist ein Produkt von Wunschvernichtung und verinnerlichter Repression. Immer, wenn ihm außerhalb seiner etwas begegnet, das auf ein Mehr an Freiheit und Glück hindeutet oder das einfach nur anders ist, „geht ihm das Messer in der Tasche auf“. Der autoritär erzogene Mensch wird eine Neigung davontragen, das, was er selbst unter Schmerzen in sich abtöten und begraben musste, aus sich herauszusetzen und dort am Anderen zu bekämpfen und zu vernichten. Auf der Basis eines an seiner Entfaltung gehinderten, durch pädagogische Dressur partiell getöteten Lebens entwickelt sich eine konformistische Bösartigkeit, ein Zugleich von Anpassung und Aggression. Ihr wohnt eine Tendenz inne, sich am Anderen schadlos zu halten und zu verfolgen, was einem lebendiger vorkommt. (...) Dieser Faschismus der Gefühle oder der Gefühllosigkeit ist zu verstehen als eine Parteinahme für das Abgestorbene und Tote in der eigenen Person. Faschismus oder Nicht-Faschismus sind also in erster Linie eine Frage der Achtung und Verachtung des Lebendigen und erst dann eine im engeren Sinn politische Entscheidung für Links oder Rechts.

Der faschistische Agitator und die politische Rechte betreiben, hat Leo Löwenthal gesagt, "umgekehrte Psychoanalyse". Statt das dumpf im psychischen Untergrund Schwelende und die frei flottierenden Ängste über sich selbst aufzuklären und ins Bewusstsein zu heben, wie es psychoanalytische und aufklärerisch-demokratische Praxis wäre, eignen sie sich diesen Rohstoff so an, wie er bereit liegt, und setzen ihn für ihre Zwecke in Gang. Sie rücken den verunsicherten Menschen einen Feind zurecht, den sie für ihr Unglück verantwortlich machen können. In Zeiten verbreiteter Verunsicherung und Desorientierung steigt das Bedürfnis nach entlastenden Vereinfachungen, und wer die simpelsten Polarisierungen liefert, hat die besten Aussichten, Gehör und Gefolgschaft zu finden. Wirkliche Aufklärung – unter striktem Verzicht auf alles Populistisch-Reklameähnliche – ist dagegen mühsam und schmerzhaft.

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