Demokratie, heute (Colin Crouch)

Colin Crouch hat den Begriff der Postdemokratie zwar nicht erfunden, die Ehre gebührt vermutlich Jacques Rancière, wohl aber für seine Verbreitung gesorgt.

Politik in der Postdemokratie ist ein mediales Spektakel, in dem Debatten inszeniert werden, Dissenz aber verdrängt wird. Entscheidend sind und repräsentiert werden vor allem ökonomische Interessen.

Der Begriff bezeichnet ein Gemeinwesen, in dem zwar nach wie vor Wahlen abgehalten werden, Wahlen, die sogar dazu führen, dass Regierungen ihren Abschied nehmen müssen, in dem allerdings konkurrierende Teams professioneller PR-Experten die öffentliche Debatte während der Wahlkämpfe so stark kontrollieren, dass sie zu einem reinen Spektakel verkommt, bei dem man nur über eine Reihe von Problemen diskutiert, die die Experten zuvor ausgewählt haben. Die Mehrheit der Bürger spielt dabei eine passive, schweigende ja sogar apathische Rolle, sie reagieren nur auf Signale, die man ihnen gibt. Im Schatten dieser politischen Inszenierung wird die reale Politik hinter verschlossenen Türen gemacht: von gewählten Regierungen und Eliten, die vor allem die Interessen der Wirtschaft vertreten.

Wahlen werden zu Marketingkampagnen, die relativ offen auf manipulative Techniken setzen, um Waren zu verkaufen.

Crouch kritisiert die Fragmentarisierung politischer Initiativen und warnt davor, das Kind mit dem Bade auszuschütten und Parteien abzuschreiben. Schließlich, so Crouch,

haben wir jedoch gesehen, dass gerade von der Aufsplitterung der politischen Landschaft in eine Vielzahl von NGOs, Bürgerinitiativen und Lobbys die Reichen und Mächtigen systematisch in einem Ausmaß profitieren, das in einer Zeit, in der Politik noch von Parteien dominiert wurde, die relativ klar abgegrenzte Wählergruppen repräsentierten, undenkbar gewesen wäre. Die Parteien abzuschreiben und ganz auf unabhängige Organisationen zu setzen, würde aus dieser Perspektive darauf hinauslaufen, sich an der postdemokratischen Verschwörung zu beteiligen.

Zitate: Colin Crouch: Postdemokratie. 2008.

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