Demokratie als Sündenfall - Politik der geschlossenen Brüder

Zu den Märchen, die vor allem gerne die so genannten geschlossenen Brüder über ihre Bewegung verbreiten, gehört, dass sie mit Politik nichts zu tun hätten.

Vielleicht bleibt man politischen Einrichtungen und Parteien fern, aber natürlich haben die angeblich rein religiösen Ansichten, die man in diesen Kreisen auch gerne absolute Wahrheiten nennt, politische Implikationen, d.h. sie betreffen unser alltägliches Zusammenleben. Und die sind, schaut man genauer hin, ziemlich ekelhaft.

Der in Wiehl ansässige Verein Verbreitung des christlichen Glaubens e.V. (VCG) ist Träger zahlreicher Internetseiten mit christlichen Inhalten. Ziel des Vereins sei, die Wahrheit über den christlichen Glauben zu verbreiten und Menschen zu Jesus Christus, dem Retter und Heiland der Seelen, zu führen.

Zun diesen Seiten gehört das Portal Bibelpraxis, auf dem ein Manuel Seibel seine fundamentalistische Ideologie verkündet und u.a. körperliche Züchtigung als Mittel der Erziehung biblisch legitimiert. Man spürt in beinahe jedem seiner Artikel den verdrucksten Hass dieses Mannes auf alles, was nicht so richtig nach bibeltreuer Vorstellung läuft, so z.B. auf die partnerschaftlichen und sexuellen Verhältnisse in Deutschland:

Und was kommt nun mit dem neuen Bundespräsidenten auf uns zu? Er ist zwar noch verheiratet mit einer Frau, mit der er seit über 20 Jahren nicht mehr zusammenlebt. Aber dafür lebt er seit über 10 Jahren mit einer anderen Frau zusammen. Er habe zwar vor, diese auch irgendwann zu heiraten – wann auch immer. Aber das sei seine Privatangelegenheit. Man darf über so etwas schon gar kein Urteil mehr fällen in dieser heutigen Zeit. Dafür hat der schwule Bundesaußenminister Westerwelle das Wort erhoben, als jemand Joachim Gauck empfahl, wenigstens zu heiraten.

Mit Christentum und der Bibel hat das nichts zu tun, schreibt Seibel, denn Gott hasse Ehescheidung: Es ist nichts anderes als Hurerei, Unzucht, wie auch Homosexualität. Das ist Klartext.

Zu diesem rhetorischen Hass und zur vermeintlich christlich motivierten Verachtung von Lebensweisen, die nicht ins reduzierte eigene Weltbild passen, gehört auch die typische Stilisierung (man darf (...) kein Urteil mehr fällen) zur verfolgten Minderheit, wie wir sie aus dem rechtsxtremen Spektrum kennen. Auf Meinungsfreiheit pochen gerade die, die keine Meinung, sondern die absolute Wahrheit zu verkünden meinen und die Missachtung verfassungsmäßig verbriefter Rechte predigen.

Demokratie - nein Danke!

Kein Wunder, dass man bei den Geschlossenen Brüdern mit demokratischen Verhältnissen dann nicht viel am Hut hat - und natürlich gleichzeitig behaupten wird, man halte sich ideologisch und in christlichen Versammlungen von aller Politik fern.

Das ist natürlich Blödsinn.

So legt ebenfalls auf diesem Portal Michael Hardt in einem Artikel mit dem Titel Der Christ und die Politik die Demokratie als Problem und Symptom religiösen Verfalls dar: Eigentlich überrascht es nicht, dass dieses Prinzip in vielen Ländern zur allgemeinen Regel geworden ist. Nachdem man die Bibel als Gottes Wort und gültigen Maßstab verworfen hat, besteht ein Mangel an absoluten Werten.

Demokratie sei nur Meinung und Stimmung der Masse, letztlich eine Konsequenz des Sündenfalls. Das führt dazu, dass die religiöse Wahrheit (Abtreibung ist Mord, Homosequalität ist Sünde) nicht mehr gesehen wird. Denke z. B. an die politischen Debatten (im Westen) über Themen wie Abtreibung, Euthanasie, Homosexualität usw. Sollte ein Politiker aufstehen und diese Themen nach der Bibel beleuchten, es wäre das wohl das Ende seiner Karriere..

Gott sei Dank.

5 Kommentare

Clemens A. Heidrich 03/08/12 11:25pm

#163 Zu 1. Ich habe bewusst "skeptisch" geschrieben; "ablehnen" mag für Einzelne zutreffen, ist für die Gesamtheit aber zu stark formuliert. Vielen wird die Frage auch einfach egal sein, Hauptsache, sie werden in Ruhe gelassen. Zu 2. Worin besteht eigentlich die "Diskriminierung"? Dass man darauf hinweist, dass die Bibel Homosexualität verurteilt? Das ist nichts weiter als eine Tatsache - die den meisten Homosexuellen ohnehin egal sein dürfte. Echte Diskriminierung im Sinne von persönlicher Beleidigung oder Herabsetzung habe ich noch in keiner Stellungnahme der "Brüder" zur Homosexualität gefunden. Vielmehr gilt bei ihnen (wie bei den meisten bibeltreuen Christen): die Sünde hassen, aber den Sünder lieben. Zu 3. Ich versuche hier nur ein paar schiefe Behauptungen zurechtzurücken. Zum Glück scheint dieser Blog ja nicht gerade von Lesern überrannt zu werden. Zu Politik: Bei Ihnen klingt das aber so, als ginge von den "Brüdern" eine politische Gefahr aus. Das ist einfach eine maßlose Überschätzung ihrer Bedeutung.

03/08/12 10:31pm

#229 Das ist doch mal Klartext. Zu 1. Die Brüder lehnen die Demokratie ab (Sie nennen das euphemistisch "Skepsis") Zu 2. Rechtlich verbriefte Gleichheit spiegelt bei Ihnen nur eine "Stimmung" wider, nicht etwa einen begründeten Rechtsanspruch, nicht diskriminiert zu werden. zu 3. tja, so das halt, mich interessieren die Brüder, sicher auch als Symptom, auch wenn Ihnen das nicht passt. Wenn das kleinkariert ist, müssen Sie ja ihre Zeit nicht mit Kommentaren verbringen. zu Politik: das ist ein reduzierter Begriff von Politik (Wählen gehen), als ob das Religiöse bei den Brüdern ein rein Privates wäre - es ist eben auch politisch, wie man z.B. mit Frauen und Kinder umgeht, ob man sie schlägt oder nicht, was man seinen Kindern beibringt und wie man die eigene Sekte führt und organisiert.

Clemens A. Heidrich 03/08/12 8:52pm

#162 Mag sein, dass es auch "kalten Hass" gibt, aber wie will man den aus einer schriftlichen Äßerung herauslesen? Ich bleibe dabei, dass das Polemik und Stimmungsmache ist. Die Kommentatoren im o.g. Blog scheinen von der Definition ja auch nicht so ganz überzeugt zu sein. Zu den drei Punkten: 1. Ja, die "geschlossenen Brüder" stehen der Demokratie skeptisch gegenüber, weil sie als Staatsform in der Bibel nicht vorkommt. Na und? Ist die Demokratie ein unhinterfragbares Dogma? Dann sind die Demokraten auch nicht besser und toleranter als die Fundamentalisten. 2. Wenn man die Ablehnung der genannten Lebensstile "Diskriminierung" nennen will - OK. Diese Haltung war vor einigen Jahrzehnten aber auch in der breiten Gesellschaft noch der Normalfall. Warum sollten die "geschlossenen Brüder" jeden gesellschaftlichen Stimmungswandel mitmachen, wenn er ihren Glaubensüberzeugungen widerspricht? 3. Dieser Vorwurf trifft die "geschlossenen Brüder" nicht mehr als viele andere religiöse oder ideologische Gruppen. Insofern ist nicht nachvollziehbar, warum Sie hier ausgerechnet die "Brüder" aufs Korn nehmen - aßer weil Sie zufällig neben einem ihrer Altenheime wohnen. Das sieht dann aber eher nach einem kleinkarierten persönlichen Feldzug aus. Tatsächlich sind die "geschlossenen Brüder" für Ihre politische Kritik die denkbar ungeeignetste Zielscheibe. Wenn sie darauf aus wären, die Gesellschaft zu beeinflussen, würden sie doch zumindest wählen gehen. Genau das tun sie aber - im Gegensatz zu den meisten anderen Evangelikalen - nicht. Insofern sind sie doch völlig harmlos und auch aufgrund ihrer geringen Anzahl vernachlässigbar. Warum befassen Sie nicht nicht mal mit denjenigen Evangelikalen, die wirklich politische Einmischung propagieren?

03/07/12 9:55pm

#228 Ach, das ist auch so ein Klischee, dass die (geschlossenen) Brüder so "nüchtern" seien. Und Hass kann bekanntlich kalt und berechnend sein, z.B. so: http://www.onezblog.de/item/2006/07/hass/ Insofern ist dann an der rhetorischen Charakterisierung nichts aus der Luft gegriffen und die Diskussion lenkt etwas vom Thema ab, u.a.: 1. Stellung der Brüder zur Demokratie und 2. Diskriminierung von Schwulen und nicht genehmen Lebensstilen und 3. Wahn, im alleinigen Besitz absoluter Wahrheit zu sein.

Clemens A. Heidrich 03/07/12 7:18pm

#157 Wie kommen Sie bloß auf "Hass"? Hass ist eine extreme Emotion, die sich auch in einem entsprechend emotionalen Vokabular niederschlagen müsste. Davon ist in den nüchternen Zitaten von Seibel aber nicht die geringste Spur zu finden. Oder ist für Sie jeder, der bestimmte Positionen ablehnt, damit automatisch von Hass getrieben? Dann gilt das aber auch für Ihre eigene Haltung zu den "geschlossenen Brüdern". Warum sonst sollten Sie hier mit völlig aus der Luft gegriffenen polemischen Vorwürfen wie "Hass" Stimmung zu machen versuchen?

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