Schön ist nur die Natur, der (1.) wir gleichgültig sind und die (2.) uns nichts angeht. Denn nur diese Natur kann zum Schauplatz metaphorischer Welten werden. So zumindest beschreibt Sibylle Lewitscharoff in ihrem Roman "Blumenberg" dessen Erfahrung des Naturschönen.
Doch wenn er den Mond sieht, kommen Blumenberg die Verse von Matthias Claudius in den Sinn, die er besonders liebte.
Der Mond, der schwarze, schweigende Wald wurden in die menschliche Lebenswelt gezogen, durch die Kraft der Metapher konnten sie darin mit hoher Intensität Wurzeln schlagen, sich sinngebend einwohnen
Entfremdung (die technisch-naturwissenschaftliche Versachlichung der Welt) ist also die Voraussetzung poetischer Sinngebung. Der Mond muss ja erst in die menschliche Lebenswelt gezogen werden, wenn die Menschen sich nicht mehr vom Mond angezogen fühlen.
Keine Erfahrung des Naturschönen ohne instrumentelle Vernunft und Naturbeherrschung. Blumenberg nimmt die kopernikanische Wende, um den europäischen Dreh zur Poesie zu legitimieren. Kraft der Poesie, so Lewitscharoff über Blumenberg, können wir in der Welt wohnen. Metaphern werden zur poetischen Technik, die die sinnlos gewordene Natur verstellt. Odo Marquard hat diese Idee als Kompensationstheorie des Ästhetischen unter's Volk gebracht. Die Poesie heilt die Wunden, die die Moderne schlägt.
Und, so wäre zu ergänzen, lässt vergessen, dass die Welt real kaum für die meisten Menschen mehr bewohnbar ist. Das Naturschöne - als Rückseite instrumenteller Vernunft - wird ideologisch und Kitsch. Eine kritische Theorie des Naturschönen setzte deswegen auf die Erfahrung, dass schön nur die Natur ist, der (1.) wir nicht gleichgültig sind und die (2.) uns etwas angeht.
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