Habermas beschreibt, warum Merkels Griechenland-Politik ein Fehler ist, und kritisiert, wie die griechische Regierung sich an einem Politikwechsel versucht.
Einerseits sieht er die demokratische Legitimation, einen Politikwechsel in der Euro-Zone herbeizuführen:
Das griechische Wahlergebnis ist das Votum einer Nation, die sich mit deutlicher Mehrheit gegen das ebenso erniedrigende wie niederdrückende soziale Elend einer dem Land oktroyierten Sparpolitik zur Wehr setzt. An dem Votum selbst gibt es nichts zu deuteln: Die Bevölkerung lehnt die Fortführung einer Politik ab, deren Fehlschlag sie am eigenen Leibe drastisch erfahren hat. Mit dieser demokratischen Legitimation ausgestattet, macht die griechische Regierung den Versuch, einen Politikwechsel in der Euro-Zone herbeizuführen.
Kritisch sieht er, wie der Versuch durchgeführt wird:
Tsipras und Syriza hätten das Reformprogramm einer linken Regierung entwickeln und damit ihre Verhandlungspartner in Brüssel und Berlin "vorführen" können. (...) Die linke Regierung hätte ganz im Sinne des wirtschaftswissenschaftlichen Nobelpreisträgers eine keynesianische Entmischung der Merkel'schen Medizin vornehmen und alle neoliberalen Zumutungen konsequent zurückweisen können; aber gleichzeitig hätte sie ihre Absicht glaubhaft machen müssen, die fällige Modernisierung von Staat und Wirtschaft durchzuführen, einen Lastenausgleich vorzunehmen, Korruption und Steuerflucht zu bekämpfen usw. (...) Stattdessen hat sie sich aufs Moralisieren verlegt - auf ein blame game
Aber vermutlich ist solch ein Moralisieren schlicht und einfach dann notwendige Ideologie, wenn Politik unter Zeitdruck steht und faktisch machtlos ist. Denn natürlich haben "die Griechen" jetzt nicht "verstanden", was die unzweifelbar richtige Politik ist - wie der Kommentator in den Tagesthemen gerade behauptet, sondern sind auf den Boden der tatsächlichen Herrschafts- und Kapitalverhältnisse aufgeschlagen.
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