Eine Ästhetik der Bescheidenheit sei, so konnte man in der Frankfurter Allgemeinen zu dessen Amtsantritt lesen, für das Auftreten des neuen Papsts Franziskus typisch. Heute spricht man nicht von Armut, das klingt zu radikal, könnte vor allem leicht missverstanden werden.
Armut ist unter Franziskanern der Name für einen religiösen Aktivismus und bezeichnet keine soziale Problematik. Man kann frieren, hungrig und durstig sein oder einsam und verlassen. Das hat aber mit Armut als spiritueller Haltung nicht zu tun. Bescheiden ist, wer nicht zu viel verlangt, auf Überflüssiges verzichtet und nur begehrt, was ihm auch zusteht und zugestanden wird. Die Franziskaner waren radikaler: sie dachten nicht, dass ihnen auf Erden überhaupt etwas gehört.
In diesem Programm spielen eschatologische und sündentheologische Motive ineinander. Denn wenn man das Ende dieser Welt erwartet, die Ankunft des Antichrist, dann investiert man nicht in Güter. Armut ist daher ein Name für aktive Weltverweigerung. Und darin ist sie Heilmittel gegen die Sünde, gegen die Wurzel alles Bösen. Denn wer keine Güter begehrt, wer entsagt und verzichtet, entzieht sich der Verführbarkeit.
Die Macht der Verführung, das sind vor allem die Frauen, die den franziskanischen Männerbund unsicher machen und die Gemeinschaft bedrohen. Bruder Honorius aus dem Convento dos Capuchos in Sintra hätte ein Lied davon singen können, zog es aber vor, sich in einer Höhle zu verstecken und zu schweigen. Deswegen bleiben nur die Legenden, die seine Panik vor dem anderen Geschlecht als Höllenangst kenntlich machen: hinter dem schönen Schein verbirgt sich die Fratze des Teufels.
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