Während sich jetzt die kritische Intelligenz in Deutschland zur nachrichtendienstlichen Attacke auf den Rechtsstaat zu Wort meldet, herrscht in der Provinz nur Schweigen. Das ist allerdings nicht verwunderlich.
Die Schriftstellerin Juli Zeh kommentiert die Datenüberwachung durch den US-Geheimdienst NSA im ZDF heute journal.
Was mich wirklich fassungslos macht, ist die Tatsache, dass unsere Bundesregierung, die in einer solchen Situation durch Nichtstun glänzt, auch noch durch grandiose Umfragewerte belohnt wird. Das heißt doch eigentlich, dass man sich in diesem Land alles erlauben kann, solange nur die Wirtschaftsdaten stimmen.
In einem offenen Brief fordern 32 Schriftsteller von der Bundeskanzlerin Aufklärung in der Prism-Affäre.
Wir können uns nicht wehren. Es gibt keine Klagemöglichkeiten, keine Akteneinsicht. Während unser Privatleben transparent gemacht wird, behaupten die Geheimdienste ein Recht auf maximale Intransparenz ihrer Methoden. Mit anderen Worten: Wir erleben einen historischen Angriff auf unseren demokratischen Rechtsstaat, nämlich die Umkehrung des Prinzips der Unschuldsvermutung hin zu einem millionenfachen Generalverdacht.
Und währenddessen in Hohen Neuendorf - Bürger fragen, die Kandidaten antworten.
Kandidaten, das waren die obligatorischen der Parteien im Bundestag. Eingeladen hatte der Seniorenbeirat Hohen Neuendorf, und dessen Fragelust hält sich offensichtlich in einem gewissen politischen Rahmen, fällt auf jeden Fall durch seine gezügelte Neugierde auf. Denn wo waren z.B. die Piraten, die in Oberhavel mit der klugen Anke Domscheit-Berg antreten?
Der Angriff auf den Rechtsstaat war allem Anschein nach kein Thema. Mag sein, dass die Anwesenden sich dafür nicht interessieren, sei's aus Gleichgültigkeit, Resignation oder Hilflosigkeit. Aber das ist egal. Der Punkt ist: wenn die Kandidaten von sich aus kein Interesse, keine Nötigung spüren mit den Bürgern über Prism, die Geheimdienste und die fatale Situation des Rechtsstaates zu reden und ihre Position zu klären, dann sind sie nicht wählbar.
Die Situation in Oberhavel dürfte (nicht nur) für Brandenburg typisch sein. Denn wie sollte die LINKE in Oberhavel sich positionieren? Bei jeder Frage zu Prism wäre sie in Bedrängnis geraten, wäre die Rede auf Wolfgard Sonja Siebert (Linke) aus Leegebruch/Oberhavel gekommen. Die Geheimdienste, so müsste argumentiert werden, hätten ja auch jetzt wie Siebert bei der Stasis "niemandem geschadet". Wer das Gegenteil behauptet, müsse dies beweisen. Genau das ist zur Zeit die Haltung Merkels und der Bundesregierung: wer behauptet, dass die Geheimdienste nicht unsere Sicherheit garantieren, sondern den Rechtsstaat verletzen und die Demokratie gefährden, müsse das beweisen.
Und deswegen wird sich auch die CDU das Thema sparen, denn mit Recht wird vom BND und westlichen Geheimdiensten nicht schweigen können, wer von der Stasi reden will. SPD und Grüne aber haben Angst, weil ihre eigenen Verstrickungen in die Formierung des Sicherheits- und Überwachungsstaates zur Sprache kommen könnten. (Und die FDP hat leider mit Leutheusser-Schnarrenberger/Gerhart Baum nichts zu tun, sondern ist eine kuriose Splitterpartei.)
Kommentar schreiben