Was passiert, wenn man sich von Stadtentwicklungspolitik verabschiedet und kommunale Gestaltungsspielräume dem Markt überlässt, hat der letzte Ausschuss in Hohen Neuendorf gezeigt.
Unter der Devise, bezahlbaren Wohnraum schaffen!
wird ein Mietwohnungsprojekt in Borgsdorf unterstützt, das in der Nelkenstraße/Sperberstraße/Blumenstraße zu einer unglaublichen Verdichtung führt, und von CDU, SPD und LINKEN die Befreiung von den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans empfohlen.
Geplant sind Wohnungen im mitteren Preissegment (7€/m2 plus Nebenkosten). Die Planung sieht 3 Wohnhäuser in Geschossbauweise mit je 18 Mietwohnungen vor. Auf den Grundstücken befinden sich bereits 2 Wohngebäude, ebenfalls in Geschossbauweise mit je 18 Wohneinheiten. Der Bebauungssplan Nr. 01 „Berliner Straße / Sperberstraße“, Stadt Hohen Neuendorf, Stadtteil Borgsdorf sieht bereits eine GRZ von 0,4 vor.
Übernommen wird die Behauptung des Investors, es bestünde für diese Wohnungen ein Bedarf. Dieser Bedarf wird allerdings wiederum nicht begründet, sondern nur mit Gerüchten kolportiert: der Investor habe durch seine Mieter erfahren, dass Menschen preiswerten Wohnraum suchten. Dolles Ding, Sachen gibt's! Denn dass für den Investor ein Bedarf vorhanden ist, steht außer Frage. Es wird allerdings in keiner Weise beziffert, ja auch seitens der Verwaltung nicht einmal zu benennen versucht, wie groß dieser Bedarf in und für Hohen Neuendorf tatsächlich ist. Sachpolitik ist das nicht, wenn Fakten nur behauptet werden.
(Schauen wir einmal in ein paar Jahren, wie viele Hohen NeuendorferInnen tatsächlich in den Neubau gezogen sind oder wie viele Familienangehörige von Hohen NeuendorferInnen dort leben.)
Aber Widerspruch wird nicht geduldet. Dass die ersten Baumfällaktionen durchgeführt werden können, bevor eine Baugenehmigung erteilt wurde, wundert in Hohen Neuendorf schon niemanden mehr. Und statt auf die Expertise der Architekten (Stadtverein und Grüne) im Ausschuss zu hören oder sich wenigstens mit ihren Einwänden auseinanderzusetzen, wird deren Kritik als vermessen bezeichnet, der Investor wüsste schließlich am Besten, wie zu bauen sei, man habe dankbar zu sein, dass es überhaupt Interesse an der Projektentwicklung gebe und schließlich sei man selbst auch kein Architekt.
Für Jutta Lindner (SPD) sei zwar die Gartenstadt Hohen Neuendorf oberstes Gebot. Wenn sie allerdings den geplanten Komplex ein geschlossenes Areal
und eine Insel in der Gartenstadt
nennt, dann plaudert sie unfreiwillig aus, worauf hier die Stadtentwicklung hinausläuft: auf städtebaulich (und schlimmstenfalls auch gesellschaftlich) als minderwertig stigmatisiert Orte, architekturhistorisch und soziologisch zugespitzt: auf Ghettos für Outsider.
Eine vernünftige Stadtentwicklungspolitik hätte solche (eigentlich gerade für die DDR typischen) Insellösungen zu kritisieren und Konzepte zu entwickeln, die vermeiden, dass die Stadt durch sozialen Druck und simple marktkonforme Lösungen in Inseln und geschlossene Viertel zerfällt. Perspektiven für den kommunalen Wohnungsbau könnten ein Anfang sein ...
Aber das ist der Preis, den die Menschen in Hohen Neuendorf für bezahlbaren Wohnraum
zu zahlen bereit sein sollen: sie müssen billige & hässliche Architektur ertragen (Plattenbau in Borgsdorf) und akzeptieren, dass sie abgeschlossen
in einem stigmatisierten Komplex leben.
Dazu passt die paternalistische Haltung, mit der Jutta Lindner (SPD) das Projekt unterstützt. Sie begründet die Forderung nach Balkonen allen Ernstes mit dem Argument, dass die Leute mal an die frische Luft
kommen.
Das Projekt führt in dieser Lage in Borgsdorf zu einer unglaublichen Verdichtung. So stelle er sich Hohen Neuendorf in zehn Jahren nicht vor, meinte Norbert Matthes. Wenn allerdings die Spitze der Verwaltung weiter durch die Politik unwidersprochen jeden Investorenwunsch mit ungeahnter Energie unterstützt und ihre (nie offen politisch diskutierten) Vorstellungen von zuträglicher Verdichtung durchsetzt, dann wird seine Phantasie auf eine harte Probe gestellt.
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