Hohen Neuendorfs Entwicklung als suburbaner Raum - eine Studie von 2005 (1)

Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBW) wurde das Forschungsvorhaben Mobilität im suburbanen Raum. Neue verkehrliche und raumordnerische Implikationen des räumlichen Strukturwandels (2005) durchgeführt.

Im Teil C werden regionale Fallstudien dargstellt, darunter auch (14.4.1) eine Studie zu Hohen Neuendorf, die vor allem beschreibt, wie Hohen Neuendorf die nach 1990 einsetzende Suburbanisierungswelle bewältigt hat.

Insgesamt diagnostiziert die Studie (2005) das Scheitern stadtentwicklungspolitischer Ziele (zentrale Verdichtung), die mangelnde Akzeptanz regionaler Planungsziele (LEP eV) und ein im großen und Ganzen ideen- und konzeptionsloses Vorgehen (Leitbild, Verkehrsentwicklungsplanung).

Hohen Neuendorf gehört zu den Gemeinden, die im Zuge der Suburbanisierungswelle der 1990er Jahre ein starkes Bevölkerungswachstum verzeichnen konnten: von ursprünglich 13.000 EW stieg die Einwohnerzahl um 62 % auf 21.000 EW. (...)

Der großen Nachfrage, auch von Seiten privater Investoren, folgte die Entwicklung neuer Wohnflächen und schließlich der Zuzug von 8.000 Einwohnern innerhalb von 10 Jahren.

Trend zum Eigenheim

Die Studien stellt ein Scheitern der ursprünglichen kommunalen Planung fest: an die Stelle einer dichten Bebauung im Innenbereich (innerhalb des S-Bahn-Einzugsbereichs), flankiert durch die Festlegung von Mindestgrundstücksgrößen, sei entgegen dem Interesse der Stadt der Trend zum zum freistehenden Einzelhaus und zum Wohnen im Eigentum getreten und habe das Stadtbild geprägt.

Ziel der kommunalen Planung war, mit der Durchsetzung einer dichten Bebauung im Innenbereich (innerhalb des S-Bahn-Einzugsbereichs) und einer geringeren Dichte in den Außenbereichen einer möglichen Zersiedelung entgegenzuwirken und der Stadt eine einheitliche Siedlungsstruktur zu geben. Neben der Realisierung kompakter Bebauungstypen sollte dies über die Festlegung von Mindestgrundstücksgrößen realisiert werden. Die Umsetzung dieser Entwicklungsziele stellte sich als schwierig heraus. Auch in Hohen Neuendorf macht sich seit drei Jahren eine Verschiebung der Nachfrage hin zum freistehenden Einzelhaus und zum Wohnen im Eigentum deutlich bemerkbar. In der Entwicklungsmaßnahme Borgsdorf wurden von vorgesehenen 600 Wohneinheiten bisher 350 realisiert. Entsprechend der Nachfrage, und entgegen dem Interesse der Stadt, wurde der vorgesehene Anteil an kompakteren Wohnformen (Reihenhäuser und Doppelhäuser) zu Gunsten von Einzelhausbebauung reduziert.

Schlafstadt Hohen Neuendorf

Die Stadt versuche auf das quantitative Wachstum mit qualitativem Wachstum zu antworten, damit sich Hohen Neuendorf nicht weiter zur Schlafstadt entwickle. Die Kaufkraft fließe nach Berlin oder Hennigsdorf. Einen Entwicklungsimpuls für die Innenstadtentwicklung verspreche sich die Stadt vom Bau einer Kaufland-Filiale in zentraler Lage.

Damit sich Hohen Neuendorf nicht weiter zur Schlafstadt entwickelt, wird von Seiten der kommunalen Planung versucht, dem bisher quantitativen Wachstum auch ein qualitatives Wachstum nachzusetzen. Mögliche Folgeentwicklungen des Bevölkerungszuwachses, wie die Ansiedlung neuer Einzelhandels- oder Dienstleistungsunternehmen, haben bisher keine große Bedeutung erlangt. Eine entsprechende Untersuchung 2001 hat gezeigt, dass 87 % der Kaufkraft nach Berlin oder Hennigsdorf abfließen. Um dem entgegenzuwirken und um die Entstehung eines eindeutigen Stadtzentrums mit einem vielfältigen Angebot an Einzelhandel und Dienstleistungen zu fördern, wurde für den Bereich zwischen S-Bahn und Rathaus ein Sanierungsgebiet ausgewiesen. In diesem Zusammenhang steht auch der geplante Bau einer großmaßstäblichen Kaufland-Filiale, deren Standort ausdrücklich in zentraler Lage an der B 96 gegenüber dem Rathaus durchgesetzt werden soll. Der Einzugsbereich dieser Einrichtung wird über Hohen Neuendorf hinausreichen, wovon sich die Stadt einen Entwicklungsimpuls für die Innenstadtentwicklung verspricht.

LEP eV

Die Stadt Hohen Neuendorf habe die Planungsziele des LEP ev nicht akzeptiert, ihm wenig Bedeutung beigemessen und und die vorgegebene Wachstumsbeschränkungen von maximal 25% (von 1990 bis 2000) nicht einhalten wollen.

Die Zielvorstellungen des LEP eV finden sich in den Entwicklungen und Planungen in Hohen Neuendorf nur bedingt wieder. Gemeinden mit geringer Siedlungsdichte und einem Schienenhaltepunkt sollen zwar in dessen fußläufigem Einzugsbereich nachverdichtet werden, allerdings war für Hohen Neuendorf das Bevölkerungswachstum auf den Richtwert von maximal 25 % (von 1990 bis 2000) begrenzt. Die eindeutige Diskrepanz der realen Entwicklung liegt zum einen daran, dass ein erheblicher Teil der Flächenausweisungen bereits vor Inkrafttreten des LEP eV erfolgte, zum anderen stießen die Wachstumsbeschränkungen angesichts der starken Nachfrage und der damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten in der Gemeinde auf wenig Akzeptanz.

Kein Leitbild

Insgesamt zeigt sich, dass nicht nur dem LEP eV wenig Bedeutung beigemessen wurde, sondern dass auch auf kommunaler Ebene bisher kein gefestigtes Leitbild existiert. Während der ersten Jahre des Wachstumsbooms nahmen der dringend erforderliche Ausbau der sozialen Infrastruktur (insbesondere Einrichtungen für Kinder) und die Erstellung bzw. Sanierung der innerörtlichen Verkehrserschließung die kommunalen Ressourcen voll in Anspruch. Erst mit dem Nachlassen der Entwicklungsdynamik sind freie Kapazitäten vorhanden, um weitere Probleme und Handlungsbedarfe in Angriff zu nehmen so auch die Frage der Integration der Zuzügler in das Stadtleben, die Förderung der Identifikation der Bewohner mit ihrem Wohnort und die Förderung städtischen Lebens.

Seit 2010 hat die Stadt ein Leitbild.

Kommentar schreiben

Zur Desorientierung