Demografie - politische Zahlen

Der FNP Hohen Neuendorf legt der Entwicklung seiner Richtlinien demografische Werte zu Grunde. Wie kommen diese Zahlen zustande?

Wieso dient gerade ein Bevölkerungswachstum auf 21.000 Einwohner bis 2010 als Richtwert?

Zunächst hat der FNP die ihm vorgeordneten Planungen zu beachten, zu denen (1998) der Regionalplan und der LEP gehörten.

Im LEP ev (1998) wird ein politischer Grenzwert für das Bevölkerungswachstum formuliert, der in der Regel eingehalten werden soll.

Der Wert für den Einwohnerzuwachs bis zum Jahr 2010 soll, gemessen an der Einwohnerzahl der jeweiligen Gemeinde (Stand 1990) (...) in den weiteren Siedlungsschwerpunkten (...) (Typ 2) in der Regel 25 % (...) nicht überschreiten. (S.17)

Der FNP geht darauf in seiner Darstellung des LEP ev wie folgt ein:

Für die planerische Vorsorge ist von einem Zuwachs an Einwohnern von 25% bis zum Jahr 2010 gemessen an der Einwohnerzahl von 1990 auszugehen. (Orientierungswert) (FNP 4.4)

Und hier haben wir ein Problem. Denn die Intention des LEP eV wird im Erläuterungsbericht zum FNP nicht richtig wiedergeben. Der im LEP eV aufgestellte Orientierungswert ist kein Ersatz für eine demografische Prognose, er beschreibt kein sich gleichsam automatisch vollziehendes Wachstum, von dem auszugehen sei, sondern ist ein politischer Soll- und Grenzwert, anders gesagt: der LEP eV forumuliert eine entwicklungspolitische Vorgabe, im FNP Hohen Neuendorf klingt sie wie eine demografische Prognose.

Von diesem Grenzwert rückt der FNP 1998 ausdrücklich ab, der im LEP ev vorgegebene Orientierungswert von (nicht mehr als) 25% wurde (und das natürlich mit einigem Recht) nicht übernommen.

Unter Berücksichtigung der Prognosen und Entwicklungsvorgaben der übergeordneten Planung geht der vorliegende Flächennutzungsplan von einem Bevölkerungswachstum von max. 50% auf ca. 21.000 EW (Stadt HNdf) innerhalb seines Zeithorizontes (2010) aus.

Die Zahlen mögen auf den ersten Blick plausibel erschienen sein, die Prognose wird methodisch aber überhaupt nicht transparent gemacht, sondern ist bestenfalls das Ergebnis einer versuchsweise realistischen Einschätzung vor dem Hintergrund der damals üblichen Praxis. Zur Orientierung dienen vor allem der Verweis auf und die sich in Bau bzw. in Bauvorbereitung befindlichen Wohnungen (6.1.5), den (durch steuerliche Sonderabschreibungen von Wohnungsbauinvestitionen angeheizten) Bauboom, der 1997 zu einer Zuwachsrate von 11,5% im Vergleich zum Vorjahr (1996) geführt hatte, und das erhebliche Verdichtungspotential im bebauten Innenbereich (6.1.6).

Bei der Zahl 21.000 handelt sich also weniger um eine Bezifferung der demografischen Rahmenbedingungen, als um eine (stadtentwicklungs-)politische Vorgabe, es handelt sich um eine politische Zahl. Das ist nicht schlimm, sollte aber offen gesagt werden - und wird an einer Stelle im FNP tatsächlich in politischem Klartext formuliert, wenn von den angestrebten 21.000 EW im Planungszeitraum (6.5.1) die Rede ist.

Es findet sich auch die Formuleriung vom emittelten Bedarf im Geltungszeitraum des FNP (21.000EW bis 2010) (6.6). Diese Aussage täuscht ein rein sachliches und methodisches Vorgehen aber nur vor - denn der Bedarf wurde im FNP an keiner Stelle methodisch transparent ermittelt, sondern allein über den Daumen gepeilt.

Die Lehre daraus: hinter demografischen Zahlen verstecken sich politische Vorgaben - und das auch dann noch, wenn sie mit scheinbar rein mathematischen Modellen ermittelt werden.

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